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Mein Weg zur Kita

Alltag zwischen Hektik und Entschleunigung

Im Rahmen der Aktionswochen „Nachhaltige Mobilität in der Kita“ sind auch Eltern dazu aufgefordert, das Auto mal stehen zu lassen und die Kinder zu Fuß, mit dem Rad oder dem ÖPNV zur Kita zu bringen. Viele Eltern stellt dies vor große Herausforderungen. Doch einen Versuch ist es wert, ist sich unsere KLIMAfuchs-Projektleiterin und Autorin dieses Artikels Kathrin Doil sich. Sie testet es seit Jahren!

 

Unsere Kita ist etwa zwei Kilometer von zu Hause entfernt. In der ersten Zeit brachte ich meinen Sohn mit dem Kinderwagen hin. 20 Minuten für einen Weg, schöne Strecke, ein großes Stück sogar durch den Park. Ich hatte Zeit, ich war entspannt, alles war prima.

 

Dann war plötzlich das Ende der Elternzeit da und ich war morgens wieder in Eile und fühlte mich gelegentlich unter Druck. Ein gesundes Frühstück auf den Tisch bringen, noch schnell die Küche aufräumen, während der Nachwuchs den Weg ins Bad mit Krümeln übersäht, Zahnbürste und Haarbürste schwingen, versuchen, Sandalen anzuziehen, obwohl der Kleine heute unbedingt und auf jeden Fall Gummistiefel tragen will und pünktlich das Haus verlassen, um zur Kita zu hetzen und selbst rechtzeitig im Büro zu sitzen. Und am Nachmittag? Das Ganze wieder retour. Puh. Es gab Tage, da war ich schon um acht in der Früh reif für die erste Pause.

 

Zeit für den gemütlichen Gang mit dem Kinderwagen blieb da nicht mehr, es musste eine Alternative her. Das Auto kam nicht in Frage, zumal auf der Strecke starker Berufsverkehr herrscht und Stau in der Stadt der absolute Horror für mich ist. Die Anschaffung eines Fahrrads mit Kindersitz war damals eine wahre Erleuchtung! Kind drauf, Gurt zu, los geht´s. Ich konnte Tempo und Route selbst bestimmen, das Kind an der Kita schnell ausladen, weiter zur S-Bahn und ins Büro fahren. Diese Lösung war tatsächlich sehr effektiv und brachte mir zudem wenigstens ein paar angenehme Minuten Bewegung am Tag. Das ist durchaus positiv zu bewerten, wenn man einen Bürojob hat und immer wieder von Rücken- und Nackenschmerzen geplagt wird!

 

So vergingen die Monate. Bis zum Tag X und meinem Besuch in der Fahrradwerkstatt. Ich hatte schon gesehen, dass an meinem Fahrrad einiges zu machen war, doch die Liste an Reparaturen wurde dann länger und länger und immer länger. „350 Euro, dann haben Sie das Rad rundumerneuert und sind wieder völlig sicher unterwegs“, endete der Fahrradmonteur seine Sichtung. Die 350 Euro hallten lange in meinem Kopf nach. Offensichtlich hatte mein Fahrrad, das bei Wind und Wetter draußen steht und viel genutzt wurde, tatsächlich einen mittelgroßen Rückstau an Reparaturen. Da ich zu diesem Zeitpunkt nicht gewillt war, so viel Geld zu investieren, bedankte ich mich und ließ das Fahrrad fortan stehen.

Seitdem hole ich meinen Sohn, der mittlerweile auch begeistert Laufrad fährt, zu Fuß aus der Kita. An manchen Tagen entscheidet er, welchen Weg wir gehen und wo wir Stopp machen. Dabei finden wir immer wieder neue Routen und es gibt jede Menge zu entdecken. Wir haben vermutlich jeden Frühblüher auf der Strecke persönlich begrüßt und das Grünen der Bäume begleitet, haben Stöcke gesammelt, Steinchen geschmissen, Enten, Vögel, Eichhörnchen und Insekten beobachtet, Hunde gestreichelt und eine tote Maus gefunden. Wir kennen jede Baustelle im Viertel, haben frisch betonierte Fahrradständer entdeckt, den Lastenaufzug einer Zimmerei bestaunt, beim Gerüstbau zugesehen und geübt, über den Zebrastreifen zu gehen. Wir sind auf Mauern balanciert, über Mauern geklettert, durch Brunnen gewatet, über und durch Pfützen gehüpft, auf Bäume geklettert, auf Geheimwegen durch Gebüsche gestreift, haben Wettrennen gemacht und auf diversen Spielgeräten geturnt. Wir sind über einen Friedhof spaziert, haben auf dem Markt eingekauft, unterwegs Freunde getroffen, Eis und Pizza gegessen und auf vielen verschiedenen Bänken Trinkpausen eingelegt.

In diesen 40 bis 70 Minuten des Weges denke ich nicht an die Arbeit, den Haushalt oder brüte über Problemen. Ich versuche, mich auf das ungewohnte Treiben einzulassen, den Kopf freizumachen und mich auf die Neugier und Entdeckungsfreude meines Sohnes einzulassen. Ich nehme das Grün in mich auf und atme einmal tief durch. Und ich merke, dass das gut tut. Es tut gut, einem Dreijährigen die Führung zu überlassen und seine aufrichtige Freude darüber zu erleben. Es tut gut, langsam zu gehen und die Natur wahrzunehmen, an der wir sonst nur vorbeihetzen. Es tut gut, andere Bewegungsmuster zu nutzen, als immer nur im Gleichschritt zu gehen. Und die Zeit dafür? Die nehme ich mir! Ein paar Minuten früher aufstehen, Arbeit anders aufteilen, Prioritäten neu setzen.

 

Natürlich klappt das nicht immer. Es gibt Tage, da eilen wir zum Bus, zum Supermarkt und nach Hause, weil doch noch einiges zu erledigen ist. Manchmal streiten wir, weil ich den kürzesten Weg bestimmen will und er das nicht einsieht. Manchmal ist er so erschöpft bis wir zu Hause sind, dass es Gezeter bis zum Schlafengehen gibt. Auch das gehört dazu. Aber dann kommen sie wieder, die anderen Tage. Die entschleunigten Gänge durch die Grünstreifen des Viertels. Der leise „Auf der Mauer, auf der Lauer“-Gesang, während mein Sohn über einen Randstein balanciert. Und dann schalte ich den Kopf ab und folge meinem Dreijährigen durch seine Welt, die er zu entdecken hat.

 

Ich kann Ihnen nur empfehlen, sich auch auf dieses Abenteuer einzulassen. Nehmen Sie sich mehr Zeit für Ihre Wege. Wenn es am Morgen nicht klappt, dann am Nachmittag auf dem Heimweg. Gestatten Sie Ihren Kindern, die Welt um sich herum wahrzunehmen, in sich aufzunehmen und zu erkunden. Kinder haben und brauchen keine Termine, Kinder brauchen Möglichkeiten, sich auszuleben und ihre Umgebung kennenzulernen. Und wenn Sie sich darauf einlassen, werden Sie auch bei sich selbst die positive Wirkung spüren. Also nur zu, erkunden Sie gemeinsam neue Routen und nehmen Sie sich den Sinnspruch zu Herzen:

 

 

Der Weg ist das Ziel!